April 26, 2024

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Neue EU-finanzierte Forschung hilft… – Information Centre – Research & Innovation

Menschen mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen, die nicht in die typischen Definitionen von Mann und Frau passen, sind oft von Marginalisierung, Diskriminierung und sozialer Ausgrenzung betroffen. Häufig sind sie potenziell schädlichen Operationen ausgesetzt. Neue Forschung vom EU-finanzierten Projekt EUICIT liefert politischen Entscheidungsträgern faktenbasierte Informationen zu Intersexualität.


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Intersexualität und Varianten der Geschlechtsentwicklung (DSD) sind zwei Bezeichnungen, die verwendet werden, um Menschen zu beschreiben, die mit Geschlechtsmerkmalen (z. B. Chromosomen, Keimdrüsen, Genitalien) geboren werden, die nicht den typischen Definitionen männlicher oder weiblicher Körper entsprechen. Es wird geschätzt, dass etwa jeder two 000. Mensch mit unsichtbaren oder sichtbaren Merkmalen von Intersexualität bzw. DSD geboren wird.

Für viele geht es bei Intersexualität/DSD jedoch weniger um die Anatomie als vielmehr um ihr Erleben und ihre Lebenssituation. „Intersexualität bezieht sich für mich auf die gelebte Erfahrung der soziokulturellen Folgen, mit einem Körper geboren worden zu sein, der nicht den normativen Definitionen von ‚Mann‘ und ‚Frau‘ entspricht“, sagt die bekannte Menschenrechtsaktivistin Miriam van der Have.

Leider besteht diese Erfahrung für viele intersexuelle Menschen aus potenziell schädlichen chirurgischen Eingriffen, Stigmatisierung, Diskriminierung und sozialer Ausgrenzung. „Es besteht dringender Forschungsbedarf, der die Erfahrungen, das Verständnis und die Ansichten von Intersexuellen in einem europäischen Kontext untersucht“, erklärt Surya Monro, Professorin für Soziologie und Sozialpolitik an der Universität von Huddersfield, Großbritannien.

Mit der Unterstützung des EUICIT-Projekts, das mit Mitteln der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen finanziert wurde, führte Monro zusammen mit Daniela Crocetti und Tray Yeadon-Lee impressive Forschung zur Intersexualität durch – Forschung, die Entscheidungsträgern helfen könnte, diese seit langem marginalisierten Menschen besser zu schützen.

Die Forschungsarbeiten wurden in Zusammenarbeit mit „Zwischengeschlecht“ durchgeführt, einer intersexuellen Menschenrechtsorganisation, die wertvolles Wissen zur Lebenssituation und zu Menschenrechten einbrachte.

Faktenbasierte Informationen zur Condition Intersexueller

Eine der alarmierendsten Erkenntnisse des Projekts war die Anzahl irreversibler, medizinisch unnötiger Operationen an intersexuellen Säuglingen und Kindern. „Wir waren überrascht, in welchem Ausmaß diese problematischen medizinischen Praktiken immer noch stattfinden“, beschreibt Monro. „Dies hat uns motiviert, so hart wie möglich zu arbeiten, um Entscheidungsträgern, politisch Tätigen und Angehörigen der Gesundheitsberufe faktenbasierte Informationen über Intersexualität zu liefern.“

Laut Monro sind veraltete Vorstellungen über die Geschlechter die Wurzel dieses medizinischen Missbrauchs. „Da Geschlechtsvarianten häufig als Anomalien eingestuft werden, entscheiden sich viele Eltern dafür, ihre ‚unnormalen‘ Kinder ‚in Ordnung bringen zu lassen‘“, erklärt Monro. „Familien fühlen sich möglicherweise unter Druck gesetzt, diese Operationen durchführen zu lassen, um ihr Kind vor sozialer Stigmatisierung zu schützen oder sich an das zu halten, was sie als Geschlechtsnormen wahrnehmen.“

Obwohl einige intersexuelle Menschen möglicherweise eine Genitaloperation oder andere medizinische Eingriffe benötigen oder wollen, betont Monro, dass eine solche Entscheidung allein bei ihnen liegen sollte. „Die intersexuellen Menschen, die zu unserer Forschungsarbeit beigetragen haben, haben eindeutig darauf hingewiesen, dass gesetzliche Änderungen vorgenommen werden sollten, um zu verhindern, dass bei Intersexuellen kosmetische Eingriffe durchführt werden, bevor sie alt genug sind, um ihre eigenen Entscheidungen bezüglich ihres Körper zu treffen“, erläutert Monro.

Eine Gelegenheit, Vielfalt zu fördern

Trotz Meinungsverschiedenheiten zwischen Elterngruppen, Patientenvertretern und Intersexuellen besteht nach Ansicht von Monro weit verbreitete Übereinstimmung darüber, dass Intersexuelle besser betreut und unterstützt werden müssen. „Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus dieser Arbeit ist, dass Menschen mit Geschlechtsvarianten in die Planung der für sie entworfenen Regelungen und Dienstleistungen miteinbezogen werden müssen“, schildert Monro.

Laut Monro beinhaltet dies eine bessere psychologische Unterstützung intersexueller Kinder und ihrer Familien. Zudem müsse sichergestellt werden, dass die gesamte Betreuung auf die individuellen Bedürfnisse des jeweiligen intersexuellen Menschen zugeschnitten ist.

„Am wichtigsten ist vielleicht, dass unsere politischen Entscheidungsträger beginnen, Geschlechtsunterschiede nicht als medizinisches Problem, sondern als Chance zur Förderung unserer Vielfalt zu betrachten“, erklärt Monro.

Zu diesem letzten Punkt hat das Projekt einen detaillierten Bericht erstellt, um die Entscheidungsträger des Vereinigten Königreichs in dieser Thematik zu unterstützen. Dieser Bericht scheint den Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) des Landes insofern beeinflusst zu haben, als dieser vorschlägt, öffentliche Mittel für Operationen im Kindesalter, die zu Zwecken der Normalisierung des Geschlechts durchgeführt werden, zu streichen.

Die Forschenden veröffentlichten zudem zahlreiche Artikel in wissenschaftlichen Fachzeitschriften. Bei zwei Artikeln wirkten intersexuelle Co-Autoren mit. Ein Artikel, der im renommierten „American Journal of Bioethics“ veröffentlicht wurde, gehört zu den zehn am häufigsten heruntergeladenen Artikeln in der Geschichte dieser wissenschaftlichen Zeitschrift.

Darüber hinaus hat das Projekt über 26 Präsentationen abgehalten und vier Workshops für Interessengruppen durchgeführt sowie eine große internationale Konferenz zur Intersexualität organisiert.

Ein Großteil der Arbeit des Projekts wird jetzt unter der Schirmherrschaft des Projekts INIA weiter ausgebaut. Das Projekt INIA möchte die nächste Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterstützen, die auf dem Gebiet von Intergeschlechtlichkeit und Geschlechtsvarianten arbeiten.